Mentales Training gehört auf Pro-Niveau schon lange zum Standardrepertoire. Bei den Agegroupern oft unterschätzt, hilft mentale Stärke enorm, Tiefs zu überwinden und wieder in den «Flow» zurückzufinden. Wir wollten wissen, wie Spitzenathletin Laura Philipp mit der aktuellen Situation umgeht, wie sie Tiefs überwindet und sich trotz grosser Einschränkungen jeden Tag neu fürs Training motiviert.
Laura, wie geht es dir nach mehreren Wochen Lockdown?
Ich muss sagen, die Anfangszeit war die schwerste. Vor allem das Akzeptieren, dass alle Wettkämpfe abgesagt werden und das Unwissen darüber, wann es wieder losgeht, waren schwer. Nach ein paar Wochen habe ich eine gute neue Quarantäne-Routine entwickelt und sehe auch einen Sinn in meinen Trainings. Ich weiss, für was ich trainiere, auch wenn es nicht für ein spezielles Rennen ist. Ich habe wirklich Freude daran entwickelt. Ausserdem bin ich als Triathletin bzw. Individualsportlerin solche Isolationssituationen gewohnt. Auch sonst bin ich meistens mit Training, Regenerieren, Essen und Schlafen beschäftigt.
Kannst du uns beschreiben, wie sich deine Gemütslage seit dem Abbruch des Trainingslagers in Girona und der Absage vom Ironman Südafrika verändert hat?
Klar war ich anfangs enttäuscht, auch wenn schon vor der Absage für uns klar war, dass wir nicht in Südafrika starten würden. Die Traurigkeit und Hilflosigkeit hielt vielleicht zwei Tage an, bevor ich sie für mich als Chance gesehen habe. Der Lockdown gibt mir die Gelegenheit, jetzt an vielen Sachen zu arbeiten, für die sonst kaum Raum bleibt. Darum bin ich motiviert und freudig positiv gestimmt!
Du absolvierst deine Schwimmeinheiten seit einigen Tagen an Ort und Stelle in einem Faltpool. Wie motivierst du dich dafür?
Ich muss mich eigentlich nie überwinden, zu trainieren. Das können einige nicht nachvollziehen, aber da ich einfach so gerne trainiere, fällt es mir nicht schwer, auf der Rolle oder im Pool zu sein. Klar, fühlt es sich anders an als unter Normalbedingungen. Aber es ist trotzdem einfach eine Bewegung, die Spass macht. Gerade für Einheiten auf der Rolle kann ich jedem ans Herz legen, sich auf einer Onlineplattform anzumelden, auf der gegen andere gefahren werden kann. Das lockert das Training auf. Im Pool muss man sich ein paar schöne Gedanken machen, während man an Ort und Stelle schwimmt. Gute Unterhaltung ist das Zauberwort.
Wie bereitest du dich mental auf harte Trainingseinheiten vor?
Mein Körper hat über die Zeit seine eigenen Strategien dafür entwickelt. Vor harten Trainingseinheiten bin ich meistens aufgeregt. Der so ausgeschüttete Hormoncocktail «boostet» meine Leistungsfähigkeit. Auch Rituale helfen: Vor harten Einheiten bereite ich meinen Körper mit Gymnastikübungen vor, damit ich performen kann. Dazu habe ich auch noch kleine «Motivationsgimmics», wie beispielsweise meine #kickass Powersocken von Sporcks, mit denen schaffe ich 10 Watt mehr . Die Vorstellung von Rennszenarios in Hawaii oder davon, wie ich Anna Haug beim Laufen im Zweikampf stehen lasse, motivieren zusätzlich. Das gestaltet sich aber vor jeder Einheit anders und ist entsprechend vielfältig. Das Ziel ist aber immer ähnlich: Ich darf mich nicht hängen lassen.
Butter bei die Fische – hast du je das letzte Intervall ausgelassen?
Tatsächlich habe ich das – aber unfreiwillig. Die Rolle hat mich bezwungen, die Kurbel drehte sich nicht mehr. Ich habe gekämpft bis zur letzten Umdrehung, aber der Widerstand war stärker. In der Regel versuche ich schon, alle Intervalle durchzuziehen. Das ist ja auch gerade das coole, dieser Kampf gegen den inneren Schweinehund. Wenn die Ermüdung gross ist einfach mal schauen, was noch geht, macht mir Spass.
Brauchst du ab und zu Distanz zum Sport?
Im Gegenteil! Ich kann gar nicht genug davon bekommen und brauche darum jemanden, der mich da rauszieht.
Auf deinem YouTube-Kanal gibst du Einblicke in deine Trainings und dein Privatleben und auf Instagram holst du regelmässig deine Follower ab. Beobachtest du eigentlich, was denn deine Mitstreiterinnen machen?
Es macht mir Spass anzuschauen, was sie machen, zumal die Posts und Videos unterhaltsam sind. Ich bin darum froh, dass meine Konkurrentinnen so aktiv sind wie ich. Auch wenn es in den Rennen hart auf hart kommt, ausserhalb kann man sich auch gegenseitig pushen, bereichern und inspirieren – aktuell von Zuhause aus über Social Media.
Von Spitzenathletin an Freizeitsportler: Welche Ratschläge gibst du uns auf den Weg?
Als Freizeitsportler ist man in der schönen Lage, dass der Druck des Geldverdienens mit dem Sport nicht da ist. Natürlich ist es schade, dass keine Rennen absolviert werden können, aber die meisten können nach wie vor draussen trainieren. Darum: geniesst die Bewegung einfach. Nutzt das Training als Energiequelle, um Stress abzubauen und Sorgen zu vergessen. Belastet euch auch nicht zu hart. Der Sport soll uns jetzt unterstützen, gesund zu bleiben und unser Wohlbefinden zu steigern.
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