Coaching Academy: Ernährung in Training und Wettkampf

Ready für Webinar #3 mit Philipp Seipp. Heute bringt er Verstärkung mit: Robert Gorgos. Der Sporternährungsexperte berät namhafte Athleten und Spitzensportler in Ernährungsfragen. Dazu gehört das World Tour Radsport-Team BORA Hansgrohe. Am Webinar gaben er und Philipp Tipps rund um die Ernährung in Training und Wettkampf.

*Der Inhalt wurde während des Webinars live mitgeschrieben – Textfragmente und Rechtschreibfehler im Artikel vorbehalten.

Legen wir los! Das Zweigespann ist sich der Meinung, dass Ernährung Leistungspotenzial steigern kann. Es werden ganz einfache handwerkliche Fehler, die wir heute beleuchten. Philipp kennt ihr ja mittlerweile. Robert ist selber Coach und Mountainbiker. Der diplomierte Ernährungswissenschaftler hat die Firma Ministry of Nutrition gegründet, die Sportnahrung anbietet. Er deckt neben Teamsport und Ausdauersport eine grosse Bandbreite ab. Philipp wird über die Grundlagen der Ernährung sprechen, bevor es ein Gespräch zwischen den beiden Pros geht.

Heute geht es darum, durch bewusste Zufuhr von Nährstoffen Trainingseffekte zu verbessern. Wann macht welche Form von Verpflegung Sinn? Es geht um Basisinformation die jeder Sportler haben sollte, um das meiste aus seinem Training rauszuholen. Es geht auch um das Bewusstmachen von tatsächlichem Verbrauch/Bedarf von Kohlenhydraten vor, während und nach dem Training und das Finden individueller Lösungen. Letzteres praktizieren beide Profis.

Das Ziel von Trainings sind spezifische Reize, das Ziel von Erholung ist die Umwandlung von Reizen. Philipp hat davon vergangene Woche bereits gesprochen. Das Vehikel für eine schnellere Anpassung ist die Ernährung. Die Effekte die wir mit harten Einheiten antrainieren kann man schmälern oder mehr daraus ziehen über die Ernährung. Heute gehen wir in die Trainingsverpflegung und die Nachversorgung von Training. Zuerst werfen wir einen Blick in die Praxis.

In der ersten Grafik seht ihr, wie viel Gramm Fett pro Minute der Athlet oxidieren kann. Bei 160 Watt liegt der Wert bei 1,5 Gramm/Minute. Eine Fettoxidation, die sich bis 310 Watt ausdehnt, bei 340 stark einbricht, bevor sie dann bei knapp 370 schrittweise fast zum Erliegen kommt. In der mittleren Grafik seht ihr den Anteil an der Gesamtenergiebereitstellung. Auf der anderen Seite seht ihr Längsschnittvergleiche zur Entwicklung der Fettoxidation über verschiedene Tests. Hier sieht man einerseits die Schwankungen in der Leistungsfähigkeit des metabolischen Systems und andererseits wie er Fortschritte über die Jahre macht.

Für heute ist die Kohlenhydratoxidation spannender.

Zu Beginn der Belastung sind die Kohlenhydrate kaum am Stoffwechsel beteiligt. Es braucht eine Weile, bis der Stoffwechsel richtig läuft. Stufe für Stufe steigen die Kohlenhydrate – es ist das Gegenbild zur Fettoxidation. Je härter die Belastung ist, desto mehr verbraucht der Athlet Kohlenhydrate und umso höher ist der Anteil an der Gesamtenergiebereitstellung. Klar spielen auch Proteine eine Rolle, werden heute aber nicht behandelt.

Mit den beiden Grafiken erhaltet ihr ein Gefühl dafür, wie viel ein Athlet unter Last verbraucht. Das hilft abzuschätzen, wie viel er zuführen muss während dem Training. Ein Beispiel bei 340 Watt ist man bei einem Verbrauch von 4g Kohlenhydrate/min. 340 Watt ist eine ordentliche Leistung, hat aber pro Stunde 240g Kohlenhydrate pro Stunde, die er verbrauchen würde. Die Glykogenspeicher sind in der Muskulatur und in der Leber. Die Leistungsfähigkeit nimmt ab, wenn die Glykogenspeicher leer werden. Der Sportler ist ungefähr 77 kg mit einer Muskelmasse von ca. 30-33kg. Im Mittel können pro 1.5 % an Muskelgewicht in Form von Glykogen gespeichert werden, so kommen wir auf ungefähr 300g Glykogen aus Muskulatur und 120g aus Leber. Die maximale Verfügbarkeit von Glykogen ist also ca. 420g. Das heisst, zwei Stunden würde der Athlet mit den 240g Kohlehydratverbrauch pro Stunde nicht verbringen können. Nach ungefähr 90 Minuten sind die Tanks leer. Es ist möglich, die Leistung zu verlängern, wenn ihr Kohlenhydrate unter Last zuführt. Das lässt sich trainieren. Wir gehen tiefer in die Thematik mit den Fragen, die Philipp an Robert stellt:

Philipp: Wie soll ein Athlet/eine Athletin eine GA-Ausfahrt verpflegen, mit dem Wissen, ich brauche 1,5g Kohlenhydrate pro Minute?

Robert empfiehlt, dass man klar wissen muss, wie die GA1-Ausfahrt gefahren wird – also langsam. Der Verbrauch steigt mit steigender Intensität der Einheit, weshalb der Verbrauch in einer GA-Einheit im Rahmen gehalten werden soll. Über ein Slow-Release Kohlenhydrat ist gut für die Verpflegung, da er den Fettstoffwechsel nicht beeinträchtig, wenig Insulin-Peaks hervorruft und für eine gleichmässige Kohlenhydrat-/Energiezufuhr ohne grosse Blutzuckerschwankungen macht. GA-Einheiten müssen verpflegt werden um den Fettstoffwechsel zu boosten und um zu vermeiden, mich komplett leer zu fahren und mich selber abbaue. Das hätte einen Einfluss auf die Erholung und kann sogar das Risiko von Erkrankungen fördern. 30-60 Gramm pro Stunde würde Robert auf jeden Fall machen, um in 4 Stunden nicht komplett leer zu fahren.

Wenn es die erste Session des Tages ist, kann ich nach 60 Minuten auf ein slow release Kohlenhydrat wechseln und nur Wasser während der Session zuführen?

Solange die Intensität passt kann man auch erst nach 60 Minuten mit einem slow release carb beginnen. Wenn ich am Nachmittag eine lockere Session mache, die auf eine intensive Session am Morgen folgt, würde ich sofort mit der Kohlenhydratezufuhr beginnen.

Wie soll eine intensive Einheit vorverpflegen, währenddessen und nachverpflegen?

Ich muss meinem Körper beibringen, wie er Leistung erzeugt. Darum ist die Vorverpflegung wichtig, die Speicher auffüllen. Während des Trainings würde ich auch reichhaltig verpflegen mit über 60g Kohlenhydrate pro Stunde. Hier sind slow release Carbs nicht geeignet. Ich brauche schnellere Kohlenhydrate wie Fast Carbs oder Power Carbs, die 16-20 % konzentriert werden können, sodass ich pro Liter Flüssigkeit bis zu 200g Kohlenhydrate zu mir nehmen. Man muss sich aber im Training antasten! Es muss im Training integriert werden, um zum Erfolg zu führen.

Wenn ein Trainingslager ist, ist eine dichte Folge intensiver Einheiten, die oft auch in der Höhe gemacht werden. Wie sollen diese nachverpflegt werden?

Hier gibt es den Begriff des Open Windows. Wenn ich gleich nach dem Training beginne mit der Aufnahme, dann kann der Körper die Nährstoffe besser zuführen. Robert meint in den 30 Minuten mach den Training, am liebsten noch vor dem Duschen, die Glykogenspeicher mit einfachen Carbs aufzufüllen. Man kann sie auch mit ganzen Proteinen, angereichert mit Aminosäuren, auffüllen, um die Erholung einzuleiten und so für die nächste Einheit bereit zu sein. Wenn ihr den vollen Boost im Wachstum von Mytochondrien haben wollt, reagiert schnell. Wenn ihr es hinauszögert, habt ihr weniger von der Einheit.

Macht es Sinn, jede Trainingseinheit grundsätzlich zu versorgen?

Es muss klar sein, was seine Wettkampfdauer ist und wo er sich verbessern möchte. Es macht durchaus Sinn, dass einige Nüchterntraining macht, wobei die Zeit im Auge behalten soll, damit man nicht leer läuft. Robert gibt die Zeit von maximal 90 Minuten als Grenze an. Wenn ihr Nüchterntraining macht, müsst ihr kontrollieren und auch ein Ziel haben in der Kohlenhydratoxidation pro Stufe nach rechts verschieben (siehe Abbildung oben). Ihr müsst da in euren Zonen bleiben!

Wie sollte eine Nüchterneinheit nachversorgt werden?

Wenn ich nüchtern trainieren würde ich Kohlenhydrat und ein paar Proteine zuführen. Ein klassisches Frühstück wäre Obst, ein Porridge mit Nüssen, Spiegeleier mit ein bisschen Gemüse. Auf jeden Fall etwas Frisches.

Nüchterntraining ist eine Sache. Was versteht man unter „Speicher gefüllt“?

Die Glykogenspeicher sind so gut wie möglich gefüllt. Das können wir nur schätzen, da wir nicht täglich eine Muskelbiopsie machen können. Ein Profitriathlet mit umfangreichem Trainingsprogramm bewegt sich im Bereich von 7-10g Kohlenhydrate pro kg/Körpergewicht bei nicht-intensiven Einheiten. Man muss also viel essen um viel leisten zu können. Wenn ihr Leistung bringen möchtet und im intensiven Einheiten Gas geben möchtet, solltet ihr gut mit Kohlenhydraten aus der Basisernärhung gefüllt sein.

Wer optimal trainieren will, muss seine Kohlenhydratezufuhr planen. Wer das Maximum aus dem Training herausholen will, der muss sich über die Zufuhr von Nährstoffen vor, während und nach dem Training Gedanken machen.

Q&A

Ruhige Einheit bei ~ 60% der FTP?

Eine FTP ist eine verkürzte Darstellung eures Metabolismus. Es kann durchaus sein, dass jemand eine andere Kohlenhydratverbrauch habe bei 60 % als andere. Anhand der FTP lässt sich keine seriöse Aussage. Es ist ein Schätzwert, in dem alle Personen mit Prozentanteilen üebr einen Kamm gezogen. Ein Metabolisches Profil ist darum der richtige Weg!

Was eignet sich für die Nachverpflegung, wenn es nicht spezifische Supplements sein sollen? Geht z. B. Trauben und Magerquark?

Magerquark ist schlecht verdaulich und Caseinreich. Ich würde eher einen Yoghurt nehmen mit schneller wirksamen Proteinen und schnelle Kohlenhydrate wie Cornflakes. Das ist besser als Quark.

Wieviel muss ich nachverpflegen? G/kg KH/Protein

In den ersten 10-30 Minuten nach der Belastung mindestens 1g Kohlenhydrate pro KG/Körpergewicht.

Könnt ihr Beispiele bringen für ideale Verpflegung ohne Supplements?

Wenn es im Wettkampfbereich geht, können beispielsweise Riegel nicht gut verdaut werden. Wenn ich versuche über Fruchtschnitten 150g Kohlenhydrate pro Stunde aufzunehmen, dann ist der Verdauungstrakt limitiert, weshalb es in flüssiger Form schonender ist. Wenn ich im Training locker unterwegs bin, dann kann ich auch von unterwegs kurz anhalten und mir beim Bäcker etwas holen.

Wie ist der Stand der Erfahrungen mit einer Kohlenhydratezufuhr von mehr als 90-100g/h – Beispiel 120g/h

Das ist sehr individuell, was eurer Magendarmsystem verstoffwechseln kann. Bei Belastungen, die deutlich sprunghaft sind, verstoffwechselst du weniger Kohlenhydrate. Bei einer perfekt gepaceten Langstrecke ist es das Gegenteil, weil du mehr Blut im Organsystem bewegen kannst. Es ist auch eine Frage der Gewöhnung.

Robert, in der Nachverpflegung, würdest du flüssige gegenüber fester Nahrung bevorzugen? Simples bsp. Shake vs Riegel?

Ja, das würde ich. Wir möchten ja das anabolische Fenster nicht zugehen lassen. Sie bedingt Trainingsanpassung mit. Gerade nach intensiven Einheiten würde ich das in flüssiger Form machen.

Wie kann ein Athlet, der sich ketogen ernährt, dann im Training hohe Leistungen erbringen, wenn die Kohlenhydratspeicher praktisch nie komplett gefüllt sind?

Der kann eigentlich nie an seine maximale Leistungskraft rankommen. Der Sauerstoffgehalt ist geringer. Wenn er optimal verpflegt ist, wird er immer schneller fahren als in der Ketose.

Woher kann ich in etwa ableiten, wie viel Carbs ich während einer Einheit brauche?

Mit Spirometrie, dann weiss ich es genau und kann das Training über den Powermeter steuern. Der zweite Weg geht über Inscyd, die es auch visuell darstellt. Das kann aber nur der Coach benutzen. In AZUM könnt ihr aber ein metabolisches Profil anlegen und ausrechnen, was ihr an Makronährstoffen in der Einheit verbrennt habt. Ihr erhaltet dann ein Gefühl für euer Verbrauch. Man muss es auch selber spüren. Wenn man es schafft über einen längeren Zeitraum alles richtig zu machen, jede Einheit (nach-)verpflegt, dann merkt man, wie man ein Leistungssprung macht und wie gut man sich fühlt.

Wenn ich morgens ausreichend und ausgewogen gefrühstückt habe, muss ich dann mein Intervalltraining am Mittag trotz gefüllter Speicher mit Kohlenhydrate versorgen?

Auf jeden Fall!

Wie sieht es beispielsweise in der Vorbereitung & Nachbereitung von einem Lauftraining aus von 15*400m?

Bahneinheiten von Philipps Athleten haben selten mehr als 600m Last. Natürlich kann man rechnen, wie viel man verbraucht. Während des Trainings ist es schwer, sie zu verpflegen. Es ist sinnvoll, essen in den letzten 2 Stunden vorher und danach richtig und zackig auffüllen.

Wie negativ beeinflusse ich meine intensive Einheit, wenn die Kohlenhydratspeicher in Form von Schokolade und Keksen gefüllt wurden?

Die Frage ist, ob ich die Glykogenspeicher so voll werden, da ihr wahrscheinlich vorher satt seid. Aber prinzipiell gesagt sind volle Speicher = volle Speicher. Ich würde aber schauen, dass ich ein regelmässiges Insulinlevel habe über den Tag. Der Zucker ist fürs Training ein Schlüssel, sollte aber dosiert verwendet werden in der Basisernährung.

Ich habe das Gefühl, dass das echt super aufwendig wird, wenn ich mir dann in Eigenregie zur Trainingseinheit exakt 187 Gramm Kohlenhydrate zusammenmischen darf. Und dann hab ich den ganzen Spass ja noch nicht für Salze, etc. gemacht. Wie wollt ihr das lösen?

Ihr könnt das nicht auf einen Gramm genau berechnen. Über die Zeit entwickelt ihr aber ein Gefühl dafür, wie gut ihr versorgt seid. Wenn ihr merkt, dass ihr kippt, könnt ihr im Training nachfüllen. Verpflegung braucht viel Erfahrung und ein gutes Körpergefühl.

Was haltet ihr davon, Zucker in Wasser zu lösen und als Radverpflegung zu nutzen (oberer GA1-Bereich) – hatte ich notdürftig ausprobiert, da meine DrinkMixes ausgegangen sind – hat aber tatsächlich relativ gut geholfen – also würdet ihr mal sagen: Zur Not voll okay oder lieber nicht machen?

Zur Not ok. Da bin ich limitiert auf 60h pro Stunde, weil das das Maximum ist, den mein Darm aufnehmen kann.

Ist die Schlussfolgerung richtig, dass tatsächlich auch der Amateursportler sich für die Wattmessung entscheiden müssen, um optimal trainieren zu können?

Ja, das ist richtig. Den Boost, den ihr gewinnt, ist enorm. Der Effekt ist grösser als das Wissen um die Pulswerte.

Bei intensiven und lockeren Einheiten: In welchen Zeitabständen erfolgt die Versorgung mit wie viel g Kohlenhydraten? Z. B. bei 90 g KH pro Stunde alle 15 min oder alle 30 min?

Wenn ich die Wahl zwischen 15 oder 30 hätte, dann würde ich in kleineren Mengen alle 15 Minuten verpflegen.

Sollte man auch bei den 2-3 lockeren Einheiten pro Woche, die nur max. 90 Minuten dauern immer slow carb nehmen? Bei einer durchschnittlichen Trainingswoche von 10 Stunden?

Es kommt darauf an. Beim Nüchterntraining würde Robert das nicht machen, sonst ergibt es Sinn. Auch bei 90 Minuten auf der Rolle, kann man sich im GA höher orientieren.

Hast du die vergangenen Webinare mit Philipp verpasst?

Kein Problem. Wir haben für dich die wichtigsten Erkenntnisse in Blogposts zusammengefasst und darin auch gleich die Aufzeichnung reingepackt:

 

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